Magazinrundschau
Republik der Fans
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
18.09.2018. Anne Applebaum hört in Polen einen Haufen mittelgroßer Lügen. Ivan Krastev sucht den Bürger. Respekt fürchtet sich vor der Angst der Tschechen. Micromega untersucht die Konstruktion des Multikulturalismus. Die New York Times vermisst eine neue Gewerkschaftsbewegung. Bloomberg besucht das schwarze Schaf der EU - und es ist nicht Ungarn.
The Atlantic (USA), 12.09.2018
In einem dunklen Essay erinnert sich Anne Applebaum an ihre Silvesterparty 1999 in Polen: Die Hälfte ihrer damaligen Freunde würden heute nicht mehr mit ihr reden. So viele seien dem Gift der PiS-Lügen erlegen. Applebaum zieht durchaus Parallelen zur Vergangenheit. Aber im Gegensatz zu den Dreißigern "verlangen die polarisierenden Bewegungen des 21. Jahrhunderts in Europa ihren Anhängern sehr viel weniger ab. Sie brauchen keinen Glauben in eine komplette Ideologie, und darum brauchen sie keine Gewalt oder Terrorpolizei. Sie zwingen die Leute nicht zu glauben, dass Schwarz Weiß ist, Krieg Frieden und Staatsbauernhöfe 1.000 Prozent über dem Plan liegen. Die meisten entfalten keine Propaganda, die mit der Alltagsrealität in Konflikt steht. Und doch beruhen sie alle auf einer Lüge, wenn schon nicht auf einer großen, dann auf dem, was der Historiker Timothy Snyder mir gegenüber mal eine 'mittelgroße Lüge' nannte oder einen Haufen mittelgroßer Lügen. Um es anders zu sagen: All diese Regimes ermuntern ihre Anhänger, an einer alternative Realität zu glauben, und sei es von Zeit zu Zeit."
Respekt (Tschechien), 16.09.2018
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Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 14.09.2018
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Juan Brancos Report aus der Zentralafrikanischen Republik liest sich wie ein überzogener Polit-Thriller aus den siebziger Jahren. Seit Frankreich sich aus dem Land zurückgezogenen hat, herrscht dort Chaos. In der Hauptstadt Bangui tummelns sich Geheimdienste und Neokolonialisten, libanesische Diamantenhändler, chinesische Ölkonzerne und russische Söldner. Und gegen marodierende Rebellengruppen helfen kaum UN-Truppen, die selbst immer wieder durch Raub und Vergewaltigung von sich reden machen. Kann es noch schlimmer kommen? "Während sich die Rebellen unter der Ägide ihres Verbündeten Idriss Déby im Tschad bereits sammeln, verspricht Paris, sich auch diesmal nicht einzuschalten. Das bestätigt auch der französische Botschafter in Bangui. Auf einer neuen Karte zeigt uns sein Berater, wo die Waldschutz-NGOs aktiv sind, die von der CIA kontrolliert werden, um den wachsenden Einfluss der russischen Söldner und chinesischen Unternehmen einzudämmen. Frankreich, das im UN-Sicherheitsrat bei allen zentralafrikanischen Fragen das Heft in der Hand hat, gewährte Russland verblüffenderweise eine Ausnahme von dem seit dem Bürgerkrieg geltenden Waffenembargo. Aus Russland kamen daraufhin 175 Ausbilder und tausende Waffen ins Land. Mittlerweile ist die über lange Zeit sorgsam bewahrte französische Einflusssphäre dahin. Die russische Präsenz ist nicht zu übersehen - ob bei Schürfrechten oder in den Straßen der Hauptstadt. Die russischen Söldner, die zum größten Teil für das Privatunternehmen Wagner arbeiten, sind ebenfalls in Skandale verwickelt: Sie werden als Drahtzieher des brutalen Mordes an drei investigativen Journalisten aus Russland verdächtigt, die vor Ort recherchieren wollten."
MicroMega (Italien), 13.09.2018
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The Baffler (USA), 18.09.2018
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Bloomberg Businessweek (USA), 11.09.2018
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HVG (Ungarn), 18.09.2018
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New York Times (USA), 16.09.2018
Für die aktuelle Ausgabe des Magazins untersucht Matthew Desmond den amerikanischen Arbeitsmarkt und den Glauben daran, dass Jobs die Lösung des Armutsproblems sind: "In den vergangenen Dekaden hat das enorme wirtschaftliche Wachstum in den USA nicht zu breitem sozialem Auftrieb geführt. Wirtschaftswissenschaftler nennen es die 'Produktivitäts-Gehalts-Lücke': Der Umstand, dass 40 Jahre wirtschaftliches Wachstum keine wirtschaftliche Verbesserung bei Arbeitern ohne Universitätsabschluss bewirken. Seit 1973 stieg die Produktivität in den USA um 77 Prozent, der Stundenlohn nur um 12 Prozent. Nach Maßgabe der Produktivität müsste der Mindestlohn bei mehr als 20 Dollar liegen, nicht wie tatsächlich bei 7,25. Amerikanische Arbeiter profitieren nicht von dem Wachstum, das sie mit generieren. Das Aussterben der Gewerkschaften ist ein Faktor. Im 20. Jahrhundert ging mit ihrer Verbreitung die Ungleichheit zurück. Heute haben wirtschaftliche Veränderungen und politische Attacken die organisierte Arbeiterschaft dezimiert, Unternehmensinteressen gestärkt und die Basis geschwächt. Diese unausgeglichene Wirtschaftslage erklärt die Stagnation der Armutsrate trotz steigender Sozialausgaben. Sozialprogramme nützen durchaus, sie helfen Millionen Familien über die Armutsgrenze. Aber der effektivste Weg aus der Armut ist ein gut bezahlter Job, und die sind rar geworden. Heute verdienen 41,7 Millionen Arbeiter, fast ein Drittel der Gesamtarbeitskraft der USA, weniger als 12 Dollar die Stunde, bei fehlender Krankenversicherung."
Außerdem: Willa Paskin schaut die neue Serie der "True Detective"-Macher auf Netflix. Caity Weaver stellt die furchtlose Comedian Maya Rudolph vor. Und in einem Auszug aus dem letzten Band seines autobiografischen Projekts denkt Karl Ove Knausgard darüber nach, was es heißt, über ein Ich zu schreiben.
Außerdem: Willa Paskin schaut die neue Serie der "True Detective"-Macher auf Netflix. Caity Weaver stellt die furchtlose Comedian Maya Rudolph vor. Und in einem Auszug aus dem letzten Band seines autobiografischen Projekts denkt Karl Ove Knausgard darüber nach, was es heißt, über ein Ich zu schreiben.
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